TIMM ULRICHS: EARLY WORKS SINCE 1961 ...EINE TAUTOLOGIE IST EINE TAUTOLOGIE IST EINE TAUTOLOGIE IST EINE TAUTOLOGIE... HOMMAGE À GERTRUDE STEIN

 

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Danielle C. March (D.):

Heute ist der 14. September 2018 und wir eröffnen heute Abend deine Ausstellung in der Galerie Brigitte March in Stuttgart mit dem Titel EARLY WORKS SINCE 1961, Eine Tautologie ist eine Tautologie ist eine Tautologie, Hommage an Gertrude Stein.

Wir sitzen hier gegenüber der Arbeit IMAGE-MAGIE. Könntest du uns etwas zu dem Kontext der Arbeit sagen, die ja von 1961 ist und wie du dazu kamst ?

 

Timm Ulrichs (T.):

Na ja, man muss vielleicht etwas weiter ausholen. Ich habe 1959 mein Architekturstudium begonnen in Hannover an der Technischen Hochschule. Wobei ich mich natürlich immer schon für Kunst interessiert habe, aber ich hatte dann meinen Eltern nie sagen können oder gestehen können, dass ich gar nicht sehr die Architektur verfolgen wollte, sondern lieber bildender Künstler zu sein beabsichtigt hätte, das hätte angesichts der Situation der brotlosen Kunst, das sich heute ja noch für die meisten Künstler so darstellt, als untragbar für meine Eltern erwiesen, die haben gemeint : „Also mach doch einen anständigen Beruf“, und dann hab ich gedacht „Na gut, ich verbinde Kunst und Technik in Form von Architektur“ und hab dann in Berlin mich beworben und Hannover. In Hannover bin ich angenommen worden und habe dann 1959 angefangen zu studieren. Und die Produktionsverfahren der Architektur sind ja ähnlich wie sie auch im Bauhaus, als Schüler oder als Student mehr schon durch Lektüre gemerkt hatte, bestimmte Verfahrensweisen die durch Addition, durch Logik, durch einsehrbare Systeme sich auszeichnen und in der Literatur gab es eine analoge Richtung, die Konkrete Poesie, die hab ich zwar nicht erfunden, ich habe auch nicht den Begriff gefunden, sondern, nachdem der Begriff Konkrete Kunst durch (Theo) van Doesburg, den holländischen De Stijl Künstler, und dann auch Max Bill in die Welt gesetzt worden ist, hat dann Eugen Gombringer, vornehmlich Eugen Gombringer, auch Eugen Drahlström aus Schweden, aber vornehmlich Eugen Gombringer, da heisst es immer er war Sekretär bei Max Bill, hat dann den Begriff der Konkreten Kunst auf die Literatur übertragen und von Konkreter Poesie gesprochen. Und dieser Konkreten Poesie hab ich mich dann, weil es analoge Verfahrensweisen der Produktion gab, auch verbunden gefühlt und habe auch solche Texte gemacht, so konkrete Texte, zumal ich ja als sehr armer Student, also ich war nicht nur arm, sondern sehr arm, das darf ich heute sagen ohne auf die Tränendrüse drücken zu wollen, das konnte ich mit einfachsten Mitteln machen, ich hatte eine Schreibmaschine und dann konnte ich meine Texte tippen, und ich tippe ja heute noch auf der Schreibmaschine, wie meine Frau Ursula Neugebauer sagt, schon weil ich die Schreibmaschine meiner Mutter benutze, um auf den Fingerspitzen sozusagen Kontakt mit meiner verstorbenen Mutter zu halten und das Gute an der Schreibmaschinenschrift ist, ein schmaler Buchstabe wie das I oder L genau so breit läuft in der Schreibweise wie ein M, also ein breiter Buchstabe. Die Buchstaben stehen also immer direkt untereinander, es gibt also keinen Zeilenausgleich und deswegen muss man sehr genau arbeiten, präzise arbeiten. Und dem was ich dann in der Architektur gelernt habe an Verfahrensweisen hab ich dann analog wie es dann in der Konkreten Poesie praktiziert worden ist, in mein Wortspiel auch übertragen. Und ich neige eben auch zu Wortspielen, Aphorismen, ich bin sozusagen kein Langstreckenläufer, kein Marathonläufer sonder Kurzstreckler, der präzise Formulierungen trifft, Aphorismen, zugespitzt, pointiert, ich will auch nicht Leute langweilen, sondern sozusagen der Blitz der Erkenntnis, der soll ja wirklich zünden, so wie ein Blitz, und man soll nicht langwierig belehrt werden, sondern man hat, das hat Eugen Dombringer auch geschrieben, diese Literatur soll so sein wie wenn man auf der Autostraße an Schildern vorbei fährt und in kürzester Zeit belehrt werden muss, sagen wir mit Verkehrszeichen was da zu tun ist, damit man sich richtig verhält, oder auch Reklametafeln, die am Straßenrand stehen, sollen dann auch innerhalb kürzester Zeit gelesen werden können und verstanden werden können. Das hab ich halt in meinen Texten gemacht, so ist mir dann 1961 unter den vielen Wortspielen, die ich damals noch produziert habe, mittlerweile fällt mir nichts mehr ein, aber damals hab ich das Wort IMAGE gesehen als Anagramm, das Wort MAGIE-Magie enthalten ist. Und das war natürlich ein Geistesblitz. Man kann natürlich auch in einen Computer so ein Programm eingeben : „Schreiben Sie alle möglichen Kombinationen dieser Buchstaben untereinander“ und dann kann man ja raus gucken ob man das findet. Plötzlich hab ich das Kunststück im Kopf gehabt und war natürlich von mir selbst begeistert und habe es dann in ein Schriftbild gebracht. Also nicht durch lange Reihen von Anagrammen aufgefallen sondern es gab als künstlerische Erkenntnis, ganz spontan.

 

D.: Und auf die Kunst bezogen ist es auch inhaltlich sehr schön und poetisch.

 

T.: Die Texte, die ich labyrinthisch damals getippt habe, haben wir jetzt hier zum ersten Mal zerlegt in vier einzelne Bilder, wobei man dreimal das Wort IMAGE also BILD sieht und dann denkt „Ha ja, OK, man sieht ein Bild“ was sich als solches ausweist und dann kommt plötzlich dieser Sprung. Man muss natürlich auch hingucken, vielleicht gucken sich die Leute auch gar nicht so genau an und werden auch nicht belohnt durch diese Merkwürdigkeit, dass die Sprache so kavalistisch mehr enthält als man ihr normalerweise zumutet als Verständigungssmittel, sondern sie hält sozusagen unterschwellig noch so ein paar Geheimnisse parat, die man gar nicht erklären kann und das haben wir jetzt hier gemacht, zumal ich durch die Galerie deiner Mutter, durch die Galerie March, diese vierer Kombination eines Bildrahmens mit dem Wort BILD, was wir aber als Edition gemacht haben (bild, 1996, Seriengraphie auf LWD, 100 x 100 cm, Ed. 12) und an gute Museen gebracht haben, jetzt im Stuttgarter Kunstmuseum zu sehen ist, neu installiert in einem Raum wo Spracharbeiten zu sehen sind, viermal das Wort BILD und dann hatte deine Mutter gesagt, wir könnten ja für die internationale Kunstszene jetzt analoge, englische oder französische Versionen machen und so sind wir auf diese in der Gestaltung dem Bild-Bild oder der BILD-BILD Installation ähnliche Version gekommen wie mit diesen Wörtern IMAGE-MAGIE, die wir heute so in dieser Form zum ersten Mal präsentieren.

 

D.: Hinter uns ist eine Leuchtschrift zu sehen, wir haben sie über die zwei Fenster des Galerieraums gehängt. Die Arbeit heisst EINE TAUTOLOGIE IST EINE TAUTOLOGIE IST EINE ... Hommage à Gertrude Stein. Ist das ein Untertitel ? Und die Arbeit ist ja 1969/70.

 

T.: Ja, also normalerweise schreib ich ja dann EINE TAUTOLOGIE IST EINE TAUTOLOGIE IST EINE TAUTOLOGIE, IST EINE TAUTOLOGIE viermal, denn das spielt dann wiederum, wenn man über Gertrude Stein spricht, aber amerikanisch gesprochen „Gertrude Stein“ (Gertrude S t i n) aber ich sage auch immer Gertrude Stein, da denkt man an den berühmten Satz A ROSE IS A ROSE IS A ROSE IS A ROSE, viermal. Und dazu habe ich auch eine Arbeit gemacht, ich habe mich gefragt warum viermal ? Ich hab dafür mehrere Begründungen gefunden, wenn man etwas nur einmal nennt, ist es eine einmalige Angelegenheit also herausgehoben, bei zwei, wenn man etwas zweimal nennt, gibt es eine Paarbeziehung also A und B stehen dann im Verhältnis zueinander, bei dreien hat man auch eine vorgeprägte Form des Triptychon, was ja zum Beispiel in der christlichen Ikonologie oder Ikonographie ja auch schon belegt ist, da gibt es eben diese Mitte, das mittlere Bild, das zentrale Bild, das Wichtigste, und dann gibt es gewissermaßen die Seitenentsprechungen, die Seitenflügel oder was weiß ich, bei vier beginnt es schon im Sinne des Mengenbegriffs der Mathematik zu einer Menge zu werden. Also dann ist die Zahl nicht mehr so entscheidend, sondern es könnte dann wenn es vier sind auch fünf werden usw. Und bei einer Viererzahl hat man auch keinen, also wenn man die Mitte nimmt, ist man in einen Leerraum, also man hat links zwei und rechts zwei Versionen von der Mittellinie aus gesehen oder Mittelachse aus gesehen, bei drei ist man eben im mittleren Bild, also vier. Warum hat Gertrude Stein jetzt vier Versionen genommen von der Rose, habe ich mich gefragt und dann habe ich auch ein Objekt gemacht das nennt sich auch wirklich HOMMAGE TO GERTRUDE STEIN, also Hommage, das ist so ein Kasten mit einem Reagenzglas und da wächst eine richtige natürliche Rose heraus, eine duftende Rose so wie sie bei euch auch hier im Garten stehen, dann kommt die plastische Nachbildung einer Kunststoffrose, dann als nächstes das photographische Abbild einer Rose und dann in der vierten Abstraktionsstufe das Wort ROSE und dann ist man eigentlich auch schon am Ende, wenn man in die sprachliche Versionen taucht, ist es mit der Abstraktion zu Ende. Es gibt natürlich andere sprachlichen Abstraktionen zum Beispiel kann man auch Sound nehmen, man kann es mit Morsezeichen oder was, das wäre aber auf der sprachlichen Ebene, der vom Menschen produzierten Sprache, also hab ich vier Abstraktions- oder vier Versionen der Repräsentanz der Rose eben als reale Rose, die man auch verschenken kann, was weiß ich als Zeichen der Liebe oder wie auch immer dann, oder es kann auch ein Name sein, und dann kommt die plastische Nachbildung, ist schon abstrakter und duftet nicht mehr dann kommt das Foto, was flach ist, das nur zweidimensional und dann das Wort, was schon sehr entsinnlich ist und immateriell. Und das hab ich dann wiederum, also deswegen HOMMAGE AN GERTRUDE STEIN, jetzt wiederum an die Version gedacht, wenn man EINE TAUTOLOGIE IST EINE TAUTOLOGIE usw. in diesem Fall ist es sogar so, dass es nicht nur vier Versionen gibt sondern unendlich viele. Es ist ja eine Laufschrift die sich unendlich repetiert und sie ist auch in sofern unterschiedlich von anderen Möglichkeiten, ich kann anstatt einer Rose auch eine Nelke nehmen oder sonstige Dinge. Aber dieser Text ist selbstbeschreibend also eine Tautologie ist eine Tautologie, so, man kennt ja den weißen Schimmel und was weiß ich, also Pleonasmen oder Tautologien, die dasselbe noch mit anderen Worten oder ähnlich umschreiben aber denselben Sachverhalt meinen, also jede Definition ist ja im Grunde tautologisch aber sie klärt auf, weil sie dann den Sachverhalt näher beschreibt aber hier ist der Text einerseits von der Idee, was er erklärt statisch, er schreitet ja nicht fort, also das Textband läuft zwar, aber es bleibt bei der Bestimmung, der Behauptung „eine Tautologie ist eine Tautologie“, das ist ein wahrer Satz. Und das merkwürdige ist ja, du kannst jeden Satz bestreiten in seinem Wahrheitsgehalt aber man kann nicht bestreiten, dass eine Tautologie eine Tautologie ist. Also der Satz ist unter allen möglichen Sätzen wahrscheinlich der einzig wahre Satz. Da gibt es keine Lüge, keine Metaphorik gar nichts, also der Satz ist grammatikalisch so korrekt wie nichts anderes sein kann, obwohl der Erkenntnisgewinn über den Satz hinaus, ist ja, dürftig sein könnte oder sein dürfte.

 

D.: Warum hast du rot als Farbe für die Schrift gewählt ?

 

T.: Also ich habe 1969, hab ich das erfunden und dann gab es die Gelegenheit, da hab ich die erste Lautschrift gemacht von einer Firma Wilchen KG, hab ich rausgekriegt, schwierig wie es damals war, eine Firma in Düsseldorf, die sich spezialisiert hatte auf so Laufschriftgeräte, die äußerst primitiv waren, die waren nämlich aus so Kunststoffbänder oder Gummibändern gemacht und da waren die Buchstaben nicht so wie hier mit Leuchtröhren sondern das war dann mit so Locheisen perforierte Förderbänder oder Gummibänder wo dann diese Buchstaben rein gestanzt, reingeschlagen worden sind und von hinten mit Licht hinterlegt, damit das ein bißchen Flattereffekt hatte, hat man so Riffelglas hingetan damit das möglich den Leuchtschrift-Effekt hatte. Das ganze hatte dann zwei Motoren oder nur einen Motor, das Band dann an diesem Riffelglas entlang geführt hat auf der Rückseite und von hinten dann das Licht, also ganz primitiv. Ich habe damals eine 10er Auflage gemacht, ich nehme an das alle Exemplare, habe selber dann noch drei kaputte Geräte wieder später zurückbekommen von enttäuschten Sammlern, denen dann das Gummiband verspödet war oder gerissen war oder wo das Licht ausgefallen ist oder die Motoren kaputt gegangen sind, also war alles noch sehr in den Kinderschuhen der Entwicklung der Geräte.

 

D.: Waren diese Geräte 1969 für Innenräume gedacht oder auch für Außenräume ?

 

T.: Nein, für Außenräume nicht, die waren zu primitiv, aber ein Exemplar, das wir 1970 dann gemacht haben, nochmal extra produziert, in Krefeld im Museum aus Langen, hatte ich eine Ausstellung, meine wichtigste Ausstellung überhaupt, die hatten schon die zentralen Arbeiten meiner damaligen Produktion und ich muß auch zu meiner Schande gestehen, dass ich damals auf dem Höhepunkt meiner Kreativität war. Ich bin ja nicht besser geworden, ich habe vielleicht das Niveau einige Jahre gehalten. Alle Künstler haben im Grunde Mitte der 20er Jahre oder auch die Wissenschaftler ihre große Potenz also geistig und körperlich und überhaupt. Man kann natürlich das Niveau halten aber man wird dann nie mehr das Ruder ganz rumwerfen. Im Grunde auf der Spur auf die man sich einmal gesetzt hat und damals hatte ich schon eben für meine Biographie, für mein Leben wichtige Entscheidungen getroffen und eben diese TAUTOLOGIE gemacht und das Exemplar, was wir für Krefeld 1970 produziert habe, ist jetzt im vorletzten Jahr (2016) eröffnet des Kaiser Wilhelm Museums, da ist ja das große Zentralmuseum und das Museum aus Lange, damals die Experimentierstation für junge Künstler in Europa oder Deutschland, später kam noch das Haus Esters dazu, beides Häuser von Mies van der Rohe, so als Privatvillen gedacht, aber eben sehr begehrte Ausstellungsräumlichkeiten und ich hatte das Glück, das famose Glück durch Paul Wember, den damaligen legendären Direktor eingeladen zu werden, da eine Ausstellung zu machen, da haben wir das Tautologie-Band auch gemacht, auf dem Katalog sieht man das auch vorne, es gab so kleine Kataloge, sieht man auch die TAUTOLOGIE auf dem Boden stehen, die war aber nicht rot wie ich jetzt gesehen habe, man hat die wieder ausgestellt vor zwei Jahren bei der Neueröffnung des Kaiser Wilhelm Museums hat man die Sammlung reaktiviert und hat dann meine alte Leuchschrift 1969/70 auch jetzt wieder gezeigt aus der Zeit existiert und läuft, die hat aber was ich vergessen hatte, die hatte keine rote sondern grüne Schrift. Warum weiß ich nicht. Vielleicht war das die einzige Farbe die diese Firma damals herstellen konnte und in Krefeld läuft das noch langsamer als dieses Band, weil die Angst haben, wenn das dann so ein Jahr lang läuft störanfällig wie es vielleicht aus Altersgründen ist, seinen Geist aufgibt. Also es ist dann sehr heikel damit. Aber natürlich könnte man sagen : „Hier Kaiser Wilhelm Museum, kaufen Sie sich das hier“, aber die wollen ja immer alles authentisch haben, das muß auch aus der Zeit sein, vintage Prints sagt man in der Photographie, der Abzug muß aus der Zeit stammen, darf vom selben Negativ stammen, muss aus der Originalzeit, vom Originalkünstler mit Originalhandabdruck oder Fingerabdruck oder so produziert sein. Aber wir haben dann die rote Version gemacht, weil das als Signal intensiver wirkt, man kennt das ja auch, die meisten Verkehrszeichen sind ja rot, oder gerade die wichtigen, bei rot muß man halten, ist wichtiger als grün. Bei grün, wenn man bei grün hält ist auch nicht schlimm aber bei rot darf man nicht fahren. Die wichtigen Sachen sind rot damit man darauf besonders achtet. Für unsere optische Wahrnehmung, für unser Auge ist rot eben besonders geeicht und wenn man das hier sieht, drängt sich natürlich in den Vordergrund, ist auch die einzige farbige Arbeit bis auf meinem Teint bei META-ATEM wo wir Farben verwendet haben, sonst ist es ja eine relativ schwarz-weiße Ausstellung.

 

D.: In Beziehung zu Gertrude Stein ist diese Arbeit ja...

 

T.: Rot wie eine Rose ...

 

D.: Ja, rot wie eine Rose, deshalb frage ich auch. Die Arbeit ist eine sehr öffentliche Arbeit im Gegensatz zu der Arbeit von Gertrude Stein, die ja sehr intim ist.

 

T.: Ja also, ich kenne nicht die ganzen Zusammenhänge bei Gertrude Stein, sie war ja homosexuell, und ob das letztlich ein Liebesgedicht war, für eine Frau ihrer Neigung. Sie hat ja mit Alice B. Toklas zusammen gelebt, da hab ich sie auch auf dem Pere Lachaise Friedhof gesehen - die liegen ja beide in demselben Grab - bei Alice B.Toklas noch ein Rechtschreibfehler, haben sie hinten bei der Beerdigung hinten am Grabstein auf der Rückseite noch statt eines -e- ein -f- geschrieben, also fehlt noch so ein Balken nachzubearbeiten. Ich habe mal eine Rose in Holland nach Gertrude Stein benennen lassen.

 

D.: Schön !

 

T.: Veredelung von holländischen Rosen, hab ich richtig Geld bezahlt, dann hab ich eine Rosenzüchtung nach Gertrude Stein benannt, ob die noch im Handel ist, weiß ich jetzt leider nicht, müßte man mal nachhaken. Dann hab ich eine von dieser Rose, von dieser Gertrude Stein Rose auf ihr Grab gelegt. Bin damals zum Père Lachaise Friedhof gefahren und hab das gemacht.

 

D.: Sehr schön, ja !

 

T.: Gertrude Stein gehört auch zu den Autoren, die natürlich wichtig waren für meine Entwicklung, obwohl sie natürlich auch geneigt war zu langen, also langwierigen ausschweifenden Texten, die ich zu lesen sehr anstrengend ist (finde), darf ja auch anstrengend sein aber, also ich habe da eine gewisse Frustrationstoleranz und neige dazu das Buch dann wegzulegen aber sie ist natürlich als historische Figur sehr sehr bedeutsam.

 

D.: Auf jedenfalls! Ansonsten wollte ich dich noch zu deiner mehrteilige schwarz-weiß Fotoarbeit, MÖVEN-SCHIFFE-FISCHE, WANDERWEGMARKIERUNGEN IN DER GEMARKUNG CUXHAVEN von 1982 befragen. Kannst du uns dazu kurz den Kontext schildern ?

 

T.: Ja sicher, natürlich, das Problem bei mir ist, dass die Leute sagen, die Arbeiten sind meistens so theoretisch warum macht der dann überhaupt Bilder, wenn man zu allen Dingen so viel erzählen kann. Also der Sachverhalt hier war, ich war eingeladen zu einem Symposium, Bildhauersymposium, wie es in den 70er und 80 er ganz viele gab, die Mode hat ein bißchen aufgehört, zumindest ich habe schon lange keine Einladung mehr zu Symposien bekommen und das Symposium in antiker Weise in Griechenland war also gemeint, ein Treffen, wo man diskutiert, ißt, was weiß ich alles, nicht nur streng diskutiert sondern auch zusammen leben, feiern usw. das Bildhauersymposium das hieß Symposium „Nordsee-Küste, Künstler vor dem Deich“. Und ich war eingeladen, habe dann ein Gezeiten-Haus gebaut sozusagen als abgebrochener Architekt, ein Gezeitenhaus im Wasser, was in sofern interessant war. Es war so ein Gatter, in der Mitte schwamm an Ponton mit einem Tisch und zwei Stühlen und über Seilzüge wurden die beiden Tore des Gezeitenhauses bei Flut geöffnet und bei Ebbe, wenn also das weiter am Strand, 200 m vom Deich entfernt, dann waren die Tore zugezogen. Das heisst wenn die Leute also bei Ebbe hingelaufen sind, waren die Tore zu und sie konnten nicht da rein aber in der Mitte stand eben einladend so ein Tisch mit den beiden Hockern. Und bei Flut, wenn sie sozusagen verscheucht wurden durch das Wasser dann gingen die Tore auf. Also das war so dieses Paradox. Das hab ich gemacht, alles schön und gut, ich hab dann noch eine andere Arbeit gemacht BLINKER 1 mit so einem Spiegel die im Wasser aufgetrieben sind bei Flut und bei Ebbe lagen gestandene Fische dann am Strand, so ein Quadratraster, das hab ich später nochmal ganz groß gemacht in Schmallenberg beim Skulpturenweg mit BLINKER II, da bilden sich so 196 Spiegel im Wind und reflektieren das Sonnenlicht usw. Und dann hatte ich noch Zeit, ich lass ja immer viel machen, also ich bin handwerklich ungeschickt, bin vielleicht aber im Kopf relativ hell und erfindungsreich und jedenfalls hab ich das trainiert und bin auch nicht orthodox auf irgendeine Gattung oder ein Ismus oder so ein Stil oder so verpflichtet sondern springe ganz gerne so. Im Schachspiel wäre ich ein Springer und kein Läufer. Ich wäre auch kein Bauer sondern irgend wie so ein Springer der um die Ecken denkt und springt, das wäre so meine Figur. Dann hatte ich noch Zeit und dachte, ich könnte ja noch was machen. Und dann ist mir aufgefallen, dass es weil wir mit dem Fahrrad so rumgeradelt sind, so an Mauern, an Pfosten, an Zäunen, an Bäumen solche merkwürdige Zeichen gegeben hat oder gibt. Es gab ein ganzes Repertoire von - ich schätze mal acht oder zehn Zeichen unterschiedlichster Art, Weihnachtsbäume oder Kinderfiguren irgendwas. Die fand ich aber nicht so interessant in meinem Zusammenhang und habe die charakteristischen Zeichen für die Situation, eine Landschaft am Meer kennzeichnend sind. Also man hat den Luftraum, man hat die Horizontlinie, weil man da am Strand liegt, in seinem Lehnstuhl sich langweilt und dann freut man sich wenn dann mal am Horizont ein Schiff vorbei kommt als einzige Abwechslung innerhalb von vier bis fünf Stunden. Dann freut man sich das mal was etwas passiert sonst ist ja öde Langeweile. Man liegt ja da, weil man ja braun werden will usw. Also Himmelsbereich Möwen und dann die Horizontlinie. Diese Diversifikation wie heute ganz berühmt, ganz teuer und dann die ganz billigen die nichts, die Harz 4-Leute, sondern es hatten alle gleichsam wenig, also in den 50er, 60er Jahren waren auch die bekannten Künstler eigentlich relativ arm und ich hätte mir eigentlich jeden Künstler leisten können in Deutschland, wenn ich Lust gehabt hätte die Arbeiten zu besitzen und ein bisschen gespart hätte. Und man hat Arbeiten gemacht, die man unter den Arm nehmen konnte. Die Formate waren in der Regel so dass es von der Hand bis zur Achsel ging und man konnte es unter den Arm nehmen. Das andere konnte hinten und vorne weiter rausragen so wie wenn man in Paris wenn man ein Baguette hat, es kann lang sein wie es will aber man muss es in die Hand nehmen und unter den Arm klemmen. Dann haben die Künstler mehr Geld verdient, haben dann Bildformate gemacht, die in ihren Volkswagen die Bilder gehen konnten und dann kam der Coco Capitan und so und jetzt kommen die Riesenformate für die Banken und die Flughäfen, dann kommt Hasenkamp mit den Klimakisten an und die können dann irrsinnige Formate aufladen wenn Gerhard Richter was gepinselt hat also es gibt kein Halt nach oben, also nach oben auf der Richterskala ist alles zu. Also das Format ist schon ein wichtiges Thema, die Museen haben auch eine bestimmte Tradition dessen, was sie zeigen können. Also wenn so reiche Oligarchen sich Museen bauen, die bauen sich dann riesen Schuppen, riesen Hangars wo sie die Formate umbringen können. Aber unsere deutschen Kunstmuseen sind eigentlich für viel kleinere intimere Formate gemacht. Und wenn wir heute im Kunstmuseum Stuttgart waren, das ist ja vergleichsweise ein neuerer Bau. Da gibt es natürlich auch sehr große Wände. Aber die Formate halten sich alle in einem überschaubaren Maße. Ich will damit sagen, das Format, das äußere Format, was mit einem inneren Format korrelieren könnte oder sollte, ist schon ein wichtiges Thema, also und deswegen habe ich halt auch Bilder gemacht, die einfach nur ihre Größe angeben.

 

D.: Von der Zeit her, ist es ja dann auch die Zeit der Land Art, die erste Land Art- Ausstellung war ja Earth Art in Amerika zumindest 1969 und dann gab es ja auch Künstler die Vermessungen gemacht haben. Ich denke jetzt gerade, weil du von Paris redest an Paul Armand Geste, der den 0 Punkt zum Meer (0 m) gemacht hat, also Erde zu Meer. Oder Orlan, die Ihre Körpergröße als Grundmaß genommen hat um das Centre Pompidou zu vermessen. Hast du dazu auch Beziehungen aufgebaut oder ist der Kontext das Bild an sich.

 

T.: Ja einerseits, nur mal zum Begriff Land Art. Der Begriff kommt übrigens aus Deutschland, der kommt nicht aus Amerika.

 

D.: Ja, in Amerika hiess er Earth Art.

 

T.: In Amerika Earth Works. Den Begriff hat Gerry Schum (1938-1973) für seine Videogalerie geprägt. Da gab es zwei Videosendungen von Gerry Schum, ich kannte ihn persönlich, die erste LAND ART und die andere IDENTIFICATIONS, also zwei Filme mit jeweils 3 Spots, natürlich auch schwarz-weiß alles und da waren eben Land Art Produktionen drin und bei dem ersten Film, den Terminus geprägt und aufgezeigt das eben in Amerika mehr als hier also Künstler nicht mehr mit diesen kleineren Museumsformaten aufnehmen wollten sondern die haben dann eben die die riesen Terrains für sich entdeckt, und sind in die Wüsten gegangen und haben dann kilometerlange Linien gemacht, ein Ausschachtungen, also Walter di Maria und Mike Heizer. In Deutschland sind natürlich wegen der landschaftlichen Beschaffenheit und der Nutzung der Landschaft verpflichtet oder gezwungen in kleineren Dimensionen zu denken. Also man kann natürlich gedanklich ausschweifen aber Reality kann man in der Landschaft nicht so große Setzungen bringen, weil einfach die Landschaft nicht zur Verfügung stellen mit Eigentumsvorbehalte usw. Aber ich habe eben nicht nur solche Vermessungen gemacht, die sich auf das BILD-BILD bezogen, ich habe auch selbst Vermessungen gemacht, mein Ur-Meter in Krefeld, das auf das Ur-Meter in Paris anspielt, meine Körpergröße, habe Denkmäler für Normal-Null, also die gedachte Null-Linie. Ich wollte in Krefeld eines machen, das war aber zu teuer, da fehlte das Geld, 60 oder 80 m über Normal-Null, also wir haben es dann aber in 24 m Tiefe in Nordhorn realisiert, also ein Bohrloch gemacht ein spezieller Zylinder mit künstlichen Wasserspiegel genau auf diese Linie Normal-Null gebracht und dann wieder zugeschüttet und oben liegt nur eine Platte. Ich habe auch Höhenlinien-Vermessungen in der Landschaft, ich habe auch mich selber mit Höhenlagen vermessen lassen, die photogrametrischen Verfahrensweisen der Landschaftskartierung dann auch benützt, also das gehört auch zu meinem Repertoire. Vielleicht war es auch der Zeitgeist da lagen solche Themen in der Luft, man mußte dann nochmal elementar werden, elementar in die Landschaft gehen, mit Erde, mit Luft, Licht oder Feuer hantieren und nochmal das kleine 1x1 der Kunst oder das große 1x1 sagen wir besser, nochmal neu definieren und da war ich natürlich auch nicht der einzige, aber in Deutschland gab es nicht so sehr viele. Und was so eine Vermessung angeht, ich habe Anfang 1968, oder war es 69 die Galerie Partio in Frankfurt am Main, heute würde man sagen Produzentengalerie, von Künstlern betrieben, hab ich dann mit schwarzem Klebeband wie das hier auch jetzt hier wieder benutzt wird (IMAGE_MAGIE, 1961/2018) so ein Klebeband... Als Architekt kennt man das ja, wenn man Klebezeichen, man hat dann Maßlinien drin und schreibt irgendwie die Zahlen rein, so hab ich dann gewissermaßen, die Zeichnung wieder in die Wirklichkeit zurück geführt, die Maßlinien auf die Wände geklebt und die exakten Daten dazu, also den Zentimeterangaben, also Zeichnung und Raum und faktischer Raum sich überlagert haben. Die Karte als Ableitung, die zweite Natur hat es wieder auf die erste drauf projizieren lassen und so bestand der Raum nur aus den schwarzen Linien auf weißem Fond und dann hatte ich auch die Himmelsrichtungen auch noch als Folie aufgeklebt. Und das hab ich, kann man ruhig sagen, ein halbes Jahr vor Mel Bochner, der mit Raumvermessungen bekannt geworden ist, seinen ganzen Ruhm im Grund genommen erworben hat, seine erste Raumvermessung in München in der Galerie Friedrich von Dahlem gemacht hat, also da war ich schon eigentlich Pionier, behaupte ich jetzt mal so, aber insofern auf verlorenem Poster als Deutscher, dieser Invasion amerikanischer Kunst ziemlich unterlegen war. Es wird ja sogar behauptet, dass die amerikanische Kunst vom CAI gesteuert worden sei also als Reaktion oder Gegenreaktion zu sowjetischen sozialistischen Realismus, den Tachismus, Action Painting solche Sachen favorisieren um ein Gegengewicht zu bilden, hier die feie Kunst dort die angewandte politische Kunst. Also Deutschland als kunstproduzierendes Land hat in den 50-60 Jahren einen relativ schwachen Stand gehabt, international.

 

D.: Du hast auch viele Performances gemacht.

 

T.: Einige, ja einige.

 

D.: Also DAS ERSTE LEBENDE KUNSTWERK, 1961, deine erste Performance als lebendes Kunstwerk. Kanntest du Gilbert & Georges damals schon, die ja später 1969 die SINGING SKULPTUR gemacht haben ?

 

T.: Die kamen ja später.

 

D.: Später, ja 1969.

 

T.: Ja und das groteske war, ist ja oft so, wenn man sich auf etwas spezialisiert und ein Alleinvertretungsanspruch für eine Sache behauptet, kann man sich leichter bekannt machen als wenn man so ein Gemischtwarenladen ist oder hat wie ich. Und ich hab eben mal dies gemacht mal jenes gemacht, so im Sinne des totalen Menschen von Karl Marx wie er ihn definiert hat. Aber Gilbert und George, der eine ist ja Deutscher oder Österreicher und der andere Engländer, die sind erst 1969 gekommen als SINGING SCULPTURES und sind sogar 69 in Hannover aufgetreten im Kunstverein. Also ich, als deren Vorläufer mußte dann im Kunstverein die Typen da sehen, in Hannover wollte keiner etwas von mir wissen, haben sich über mich belustigt : „Ja (zeigt den Vogel) du, du, lebendes Kunstwerk, guck doch mal in den Spiegel wie du aussiehst, so verlottert und häßlich und ohne Zähne im Mund und haben gesagt, also hier statt in den Kunstverein, geh doch lieber in die Klapsmühle oder zum Psychiater und laß dich mal beraten“. Sogar in der Hochschule wurde ich zum Dekan bestellt und dann hat er mir gut zugeredet : Herr Ulrichs, Sie sind ja offensichtlich krank oder so. Es gibt ja so Ärzte, die sich mit solchen Fällen befassen, ich wurde aus der der Hochschule geworfen, also verwiesen und so, lange extra Geschichte. Jedenfalls, kamen dann Gilbert & Georges, machen da einen großen Reibach, publizistisch, überall treten die auf sogar in Hannover auf dem Tisch wie hier, und haben dann so goldbronzne Gesicht geschminkt und so ein Spazierstöckchen in der Hand gehabt und haben da so ein Couplé gesungen UNDERNEATH THE ARCHES- UNTER DEN BRÜCKEN oder so und haben dann so ein bißchen getanzt. Aber meine Sache war ja viel radikaler. Ich habe mich nicht verkleidet oder nichts aufgetragen. Was ich gemacht habe, war eigentlich gar keine Performance sondern eine Anti-Performance, ich hab nur da gesessen, so, Glaskasten drumrum wie bei einem Kunstwerk. Und dann hab ich gesagt : „Ich bin das Kunstwerk“ fertig, aus, nichts weiter.

 

D.: Und du machst ja ein Kunstwerk nur einmal.

 

T.: Möglichst nur einmal.

 

D.: Und nennst du dich auch TOTALKÜNSTLER. Nennst du dich noch TOTALKÜNSTLER?

 

T.: Ja sicher. Es gibt auch andere, Jonathan Mese, nennst sich auch Totalkünstler aber er hat das irgendwie mißverstanden, den Begriff. Den Anspruch habe ich heute auch noch. Natürlich mache ich heute nicht sehr viel Reklame darum, weil das eigentlich bekannt sein könnte oder sollte. Also man muß doch nicht den Terminus immer vorfinden, sondern ach Leute, haben wir schon zigmal gehört. Man kann nur sogar sagen, das ich heutzutage nicht mehr soviel Neues mache, sondern jetzt versucht bin mit meinen 78 Jahren, versucht bin, meine Vorlasten so ein bisschen zu ordnen, also es geht jetzt nicht um persönliche Lasten, es geht nicht darum noch 10, 20, 100 Arbeiten in die Welt zu setzten, neu, sondern das was da ist, zu ordnen, in die richtige Bahn zu bringen. Also hier machen wir ja eine Auflage von dem MAßLINIEN-BILD, es ist spät, aber immerhin noch von mir zu dirigieren und die Laufschrift haben wir auch sozusagen neu aufgelegt, nicht mehr das alte Band mit den gestanzten kleinen Löchern sondern eben in einer Version, die man noch in Zukunft zeigen kann. Also es geht darum die alten Botschaften so zu erhalten, dass sie wenn keine Gegenwart dann noch Zukunft haben können.

 

D.: Ich finde es auch wichtig solche Arbeiten zu zeigen, sie sind ja historisch und gleichzeitig aktuell. Also die Laufschrift ist ja von 1969/70 und kunsthistorisch gesehen hast du ja natürlich auch die Jenny Holzer in der Zeit, später, viel später (1982, Time Square.) Les Levine 1976. Er hat eine große Installation mit Laufschrift gemacht worauf zu lesen war LOSER also Verlierer. Eine große Rauminstallation von 1976 und deswegen denke ich jetzt auch gerade an den FINDLING von 1978 und an die Performance. Der Künstler der letztes Jahr 2017 im Palais de Tokio gezeigt wurde, Abraham Poincheval, PIERRE, also Stein, L’HOMME QUI VIT DANS UNE PIERRE, also der Mann, der in einem Stein lebt. Was sagst du dazu ?

 

T.: Na ja, ich hab das ja selber erst durch Freunde erfahren, die mir das zugeschickt haben was sie in Zeitungen gelesen haben. Ich habe erst relativ spät erst erfahren. Also andere haben das gemerkt, dass da jemand nicht nur sehr ähnlich sondern im Grunde das gleiche macht, nur sehr viel schlechter. Also in dem Fall war es ein künstlicher Stein aus Gibs, oder was weiss ich, gegossen und dann eben auch eine Negativform der Person, die dann in diesem Stein eingeschlossen ist, wird gleichsam versteinert oder der Stein verlebendigt. Aber ich habe drin gelegen, in meinem FINDLING, in embryonaler Haltung also ich habe nicht so ein Körperklumpen abgelegt sondern die Beine so abgelegt dass wie eine Täterskizze oder Unfallskizze so nachzeichnen konnte, kann man noch jetzt der liegt ja noch in Nordhorn sich die Menschliche Gestalt und die Kopfform. Also es war auch sehr eng, also genau auf den Körper angepasst.

 

D.: Also wie unterscheidet sich die Idee deiner Performance in einem Stein als Findling zu liegen und die von Abraham Poincheval in einem Stein zu leben und zu essen ?

 

T.: Ich habe ja (meinen Stein) DER FINDLING genannt, weil DER FINDLING in unserem Sprachgebrauch ist ja ein solitär liegender Stein, der in der Eiszeit, also abgeschliffen dann, irgendwo im nordeuropäischen Raum sich befindet. Und FINDLING ist auch das Findelkind. Es gibt bei Kleist eine Geschichte, die heißt DER FINDLING also handelt von einem Mensch, also die Gleichsetzung von Mensch, alleinige auf sich selbst gestellte Mensch und dem Stein, diese Gleichsetzung soll den Titel gegeben, natürlich. Aber vom Sachverhalt ist auch diese Anspielung auf Mythologisches dabei man kann ja an Christus denken, an den Stein, den er nach der Wiederauferstehen dann an seinem Grab gewälzt haben soll, Versteinerung, es gibt ja so Landschaften wo man glaubt dann Personen versteinert zu sehen, wieder zuerkennen usw. also der Übergangsform von Versteinerung und lebende Figuren, also spielt alles eine Rolle. Und dann dieses liegende, auch ein bisschen das Embryonale, das Geopferte, das spielte bei mir eine Rolle. Bei dem französischen, ich nenn ihn jetzt mal Nachläufer, Nachahmer, hat ja dann großzügiger Aushöhlen des Steins locker vor sich hinleben können, mit Beleuchtung und Essenszufuhr und Toilette und so viel Platz, also der ausgehöhlte Kopf im Stein war ja so dass 3-4 Köpfe Platz finden. Er konnte sich locker bewegen und die Arme. Bei mir war es so eng dass ich richtig Blutergüsse hatte. Meins war eben, die Aktion selbst war 1980 dann da gibt es einen Fernsehfilm darüber und dieser Franzose hat das ja, wieviele Jahre jetzt, fast 40 Jahre später, also eine ganze Generation oder 35 Jahre später, das ist eine ganze Menschengenation. Man zählt eine Meschengeneration nach 30 Jahren, also 30 Jahre ist sozusagen die nächste Generation. Und die Kunst ist ja kurzlebig oft. Also wenn man sieht wie schnell solche Stile kommen und gehen. Mache Künstler eben auch, die eine Saison haben und dann sind sie wieder weg vom Fenster. Und es gibt auch mittlerweile so viel schnelle Möglichkeiten Nachrichten und Bilder zu übermitteln, da kann man nicht 30 oder 40 Jahre später noch kommen und nochmal sozusagen das gleiche in grün machen. Das geht nicht. Ich war auch ein bisschen enttäuscht über die Presse. Ich meine Nordhorn hat eine ganze Seite gebracht, und war empört was bei ihnen singulär ist, und immer noch legendär, also man tritt an den Stein und weiß da hat jemand drin gelegen, die Geschichte gehört auch dazu, dass dann irgend so ein Typ dann in Frankreich in einem berühmten Institut das machen darf ohne dass ein Museumsdirektor sagt, also so ein Blödsinn, machen wir nicht, den können Sie woanders im Zirkus machen oder so aber wir legen Wert auf originäre Leistungen.

 

D.: Also du hast dich nicht geschmeichelt gefühlt, dass jemand nochmal so was macht!

 

T.: Nein, zumal wenn er gesagt hättet, es ist eine Hommage an Timm Ulrichs, eine Anspielung. Aber das, dass ist ein reines Plagiat, weil mein Name ja unterschlagen worden ist. Also wenn ich Gertrude Stein zitiere hier, deine Mutter hat das geschrieben, Hommage für Gertrude Stein, dann ist es ja eine Referenz, die ich ihr erweise, ich erkenne ihre Vorläuferschaft an, ihre Bedeutung für mich, dadurch wird ihr Ruhm nicht geschmälert sondern gesteigert indem man sich als Schüler zu erkennen gibt. Dem Lehrer sagt, du hast mich gelehrt, dies und jenes zu erkennen, dann ist das eine ehrenwerte Folge und dem einen gegenüber eingesteht. Aber wenn jemand das nur so kopiert und unterschlägt im Grunde genommen stiehlt, dann ist es unehrenhaft und müßte bestraft werden. Und leider ist die Publizistik in vielen Fällen und auch der Kunsthandel und leider auch die Museumsleuten so verlottert, korrupt dass ihnen das völlig egal ist. Dann gilt der aktuelle Ruhm die Publizität, der Mann ist in vielen Zeitungen drin, das zählt dann vielmehr als die wahrhaftige Darstellung. Und das ist, was mich dann aufregt. Das ist wie mit Doping. Also alle Welt regt sich über Armstrong auf, wenn er aus der Tour de France schwer gedopt war und der deutsche Radrennfahren, wie heisst der noch schnell, der sich gedopt hat und nie zugegeben hat, durfte seine Auszeichnung behalten. Also man erwartet von Sportsleuten einen fairen Sport und genau so erwarte ich das in der Kunst. Mir ist das auch oft passiert, dass ich eine Erfindung gemacht zu haben glaubte und dann war ich vielleicht sogar dran oder geneigt es zu realisieren bis ich dann erfahren habe, dass gibt es von dem und dem schon. Dann musst ich sagen, Künstlerpech, Pech, ich muß mich mehr anstrengen um wieder an die Spitze zu kommen (schmunzelt). Ich muß die Idee aufgegeben oder ich muß sie so modifizieren, nicht um die Spuren zu verwischen, sondern so Zuwächse an Qualität bekommen, dass es dann schon zu einer anderen Arbeit wird. Ich erlebe das ja oft, es gibt so Ähnlichkeiten oft, ist ja auch kein Wunder bei 7 Milliarden Menschen auf der Welt und zigtausend von Künstlern, dass in der Zeit von Konzeptkunst, dann ähnliche Gedanken von ähnlich gearteten Menschen in verschiedenen Ländern auftauchen müssen. Also kein Mensch ist so anders - auch wir sind genetisch so - bis auf ein paar Gene - identisch, nicht, das läßt sich gar nicht vermeiden, dass dann Ähnlichkeiten auftauchen. Aber es gibt Ähnlichkeiten und es gibt Unterschiede, da muß man eben dran arbeiten, dass man wenn man eben für sich Qualität erreichen will, dass man sich enorm anstrengen muß oder man hat eben ein Glücksfall dass einem plötzlich so Eureka ein Gedanke kommt, weiß selber nicht wie. Der Erfinder des Benzolrings, der hat dann behauptet oder gesagt, er wäre eingeschlafen und im Traum hat er so eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz beisst den Borboros gesehen und dann wäre er aufgewacht und dann wäre ihm klargeworden, dass es das Benzol ist und müsste ein Ringform haben. Im Gehirn schliesst man die Dinge zusammen und man weiß nicht wie, also das Gehirn ist ja ein merkwürdiges Instrument und dann passiert das schon mal das man Glück hat. Aber das meiste beruht nicht auf Glück sondern auf harter Vorarbeit.

 

D.: Und deswegen ist es auch ungerecht. Ich finde auch, er hätte noch einfach sagen können, HOMMAGE AN TIMM ULRICHS. Wobei ich hinzufügen muss, dass in meinem Umfeld und Freundeskreis in Paris dein Name sofort fiel. In den Köpfen der Leute bist du auf jeden Fall präsent gewesen.

 

T.: Ein Freund von mir hat das zum ersten Mal in der ZEIT, der Wochenzeitung ZEIT, online gelesen und hat dann gleich dem Mann, der den Artikel geschrieben hat, eine e- mail geschickt und die haben nicht darauf reagiert, als ob das nicht existiert hat. In den deutschen Zeitungen gab es keine, bis auf Nordhorn, die es unmittelbar getroffen hat, weil es deren Skulptur ist, hab ich denen ja geschenkt, gab es keine Korrekturen irgendwie so. Natürlich kann man sagen OK, die Kunstgeschichte kann das schon richten, aber dann bin ich nicht so davon überzeugt, dass das Richtige sich immer durchsetzt. Also man kann sagen : „Ja, ja, die Qualität setzt sich durch und das Recht setzt sich durch“, das ist schöner Glaube, also meistens setzt sich die Macht durch und das Skrupelloseste,und das Dreisechste und ist dann am Schluss der Sieger.

 

T.: Vielleicht auch der, der am Strightesten ist, so wie du ! RAUM 1 (Dependance).

 

D.: Timm, wir befinden uns hier vor deiner Photoarbeit DIE WEIßEN FLECKEN MEINER KÖRPERLANDSCHAFT von 1968. Was meinst du damit ?

 

T.: Man hat früher in der Kartographie mit weiß als weiße Flecken immer die Bereiche belassen, auf weißem Papier, die man noch nicht genau erforscht hatte. Also das, was eben unkenntlich war oder noch nicht erkannt war, wurde so eben ausgespart als weißer Fleck und als ich das gemacht habe in den späten 60er Jahren muß man natürlich die Zeitläufe mitbedenken, das war die Zeit auch als zum ersten mal der Menschheit geglückt ist, unsere Erde von außen zu sehen. Also man wußte natürlich dass die Erde nicht mehr eine Scheibe ist, sondern eine Kugel aber man hat es nicht durch Augenschein, durch das Sehen, durch das sinnliche Erkennen wahrnehmen können, sondern hat es durch Vermessungen, oder was weiß ich, allen möglichen sonstigen Erkenntnisse gewusst, dass die Erde eine Kugel ist, aber gesehen hat man es nicht und jedes Interesse oder jedes neues Empfinden auch für die Erde als ein kostbarer blauer Planet. Nachdem die Weltraumforscher, also die ersten Erdsatelliten, also abgesehen von Louis Gagarin, der 1959 um die Erde mit einem Satelliten geflogen ist, hat man dann in den 60er Jahren vom Mond aus die Erde überhaupt unterwegs dann die Erde als kostbare blaue Kugel da gesehen und dafür ein Gefühl entwickelt, dass es die einzige Erde ist die wir haben als man müßte damit vorsichtig umgehen mit diesem kostbaren Schatz. Also das war eine neue Sichtweise auf die Erde und damit auch ein neues Gefühl, das man entwickelt hat. Aber ein ähnliches Gefühl hab ich dann auch für mich selber entwickelt in ähnlicher Zeit, in gleicher Zeit hat, mich hat interessiert, weil jeder Mensch von sich als intakte Person spricht, ich bin ich und so, die Haut schließt meinen Körper ab, und ich bin der Körper der sich so und so gibt und schminkt und kleidet, aber dass wir gar nicht uns als ganze Person, als Körper sehen können, gar nicht feststellen können, hat mich dazu bewogen etwas mit Blindenschrift dann mal den Text wiederzugeben : „Trauen Sie Ihren Augen nicht Sie sehen sie nicht einmal“, sondern eben auch zu sehen was sehe ich wirklich von meinem Köper und was sehe nicht, und dann hab ich mit weißer Farbe die Bereiche analog in der Kartographie mit weißer Farbe als nicht sichtbar für mich selbst, also die Partien an meinem Körper markiert, die wir selber niemals in einem Leben zu Gesicht kommen werden, es sei denn ich könnte die Augen aus den Höhlen nehmen und dann damit mit den Fasern die Augen selber um den Körper führen, aber normalerweise geht das nicht, und dann sieht man dass nicht nur die Augen sondern der ganze Kopf mehr oder weniger gar nicht sichtbar ist, natürlich wir kennen die Abbildungen im Spiegel, in der Photographie, aus unserer Wunschvorstellung auch oder in sozusagen in der Reaktion durch anderen auf einen selbst, andere sind auch gewissermaßen Spiegel für uns, deswegen brauchen wir dann auch die anderen Person um uns in denen zu spiegeln, aber die direkte Wahrnehmung ist viel begrenzter und gerade die wichtigen Partien sind eben nicht sichtbar, die hab ich dann eben mit mehren Versuchen mit weißer Farbe markiert und die Grenzlinien mit schwarz umrandet, und das ist schon ein ganz aufschlußreiches Bild weil es zeigt, dass das eben die wichtigen Partien uns gar nicht zugänglich sind. Und wenn man das erkannt hat, das ist ja jetzt nicht nur das Photo interessant, sondern wenn man erkannt hat, dass unser Selbstverständnis, unser Wahrnehmungsvermögen, mit all den Sinnen die wir haben oder auch nicht haben so gegrenzt ist, dann kann man auch nicht diese Selbstgewissheit an den Tag legen die wir an den Tag legen normalerweise pflegt, wenn man in der Welt herum läuft und sagt, so „Was kostet die Welt, und so, und hoppla, jetzt komm ich“, sondern dann wird man bescheidener wenn man sich vorstellt, dass so vieles uns entgeht und wir wissen ja auch, dass das meiste uns immer verschlossen bleibt. Ich habe auch einen Film gedreht über den tiefsten Punkt des Kopfes angesteuert haben, ähnlich wie Jule Vernes, die Reise zum Mittelpunkt der Erde. Wir können nie sehen was in unserem Kopf richtig passiert und dem Körper, dass der Mensch ein Blutkreislauf hat, und die inneren Organe, das Wissen einige hundert Jahre alt erst sind und Jahrtausende hat der Mensch zwar gelebt, aber hat nicht gewußt was in seinem Körper alles so abläuft es sei denn er hat ihn aufgeschnitten, heimlich, das war ja von der Kirche lange verboten, oder indem man andere durch Torturen und Qualen die Körper aufgeschnitten hat, also man bleibt sich weitgehend selber fremd, und sich selber als Fremdkörper zu sehen, und dass man das lernt also das ist so eine Studie dazu, die mir auch wichtig ist. Es gibt ein Vorläufer, den ich unbedingt nennen möchte, über den hat auch Hans Bloch mal geschrieben einen kleinen Text über Ernst Mach, man kennt Mach eben als, bei Schallgeschwindigkeit, also ein Mach, zwei Mach, es gibt auch Autos als Typenbezeichnung, die heissen Mach, war also so ein Tausend Sacher in der Wissenschaft, der aber von keinem erst genommen worden ist oder wird. Auch Erst Bloch hat sich eher mokiert positiv zu sehen, aber es gibt eine Zeichnung von Ernst Mach von 1876 also letztes Viertel des vorletzten Jahrhunderts wo er eine Zeichnung von sich anfertigt. Er schaut aus seinem rechten Auge heraus und man sieht in der Zeichnung, ein bisschen von seine Nasenspitze, seinen Schnurbart. Also er zeichnet, dass was er wirklich von sich zieht, also die Hand, die den Zeichenblock hält, seinen Unterkörper, die Beine, die Schuhe usw. also er zeichnet dass, was er wirklich von sich sieht, und ergänzt das nicht durch die Vorstellung. Das dürfte die erste Zeichnung gewesen, wo einer auch die ganzen Wahrnehmungen so markiert hat in einer Zeichnung. Das fand ich schon sehr interessant.

 

D.: Ja sehr interessant. Vielleicht zum Schluß noch, weil jetzt demnächst die ersten Gäste in die Galerie kommen, wollte ich mit dir noch über deine Video Skulptur META ATEM : ÜBER INSPIRATION UND EXPIRATION von 1976 sprechen, realisiert 1999.

 

T.: In Sao Paulo war ich da, die Bedingung das machen zu können, endlich mal machen zu können. So eine Idee kann man ja mal schnell haben, aber die Ausführung läßt noch auf sich warten. Die Arbeit beginnt ja schon beim Titel. Der Atem ist ja das oder der Odem, metaphysisch gesprochen, der der den angeblich bei der Schöpfung von Gott eingegeben worden ist und mit göttlichem Part Odem inspiriert worden, also der Geist ist uns eingehaucht worden, sind wir spiritualisiert worden, der Atem zeigt ja, dass solange wir atmen, leben wir. Die Ärzte haben ja so eine Spiegel, dann kann man dem vermeintlichen Toten, hält man den Spiegel vor : „Ah da ist noch Leben vorhanden“ solange man atmet, lebt er und Marcel Duchamp hat davon gesprochen : Also „Ich bin ein Atmen“ also der Atem ist unabdingbar notwendig und ist nicht nur die Beschreibung des Luftholens und wieder Ausspeiens von Luft sondern (im) doppelt oder dreifachen Sinne eben Zeichen für Leben und das ist eben nicht nur eine Arbeit die zeigt, dass geatmet wird, das wäre nur physiologisch interessant, sondern wenn ich sage Meta-Atem meine ich auch eine Meta Ebene, eine darüber abgehobene metaphorische Ebene und wenn du siehst, dass das Wort ein Palemdrom ist, man kann es vorwärts und rückwärts lesen, Meta-Atem, ist analog zum Aus-und Einatmen. Die beiden Richtungen sind damit vorgeben und eben auch das physiologische Hinausgehen ist damit gemeint, also das ist schon mal wichtig bei dieser Arbeit. Und da sieht man auf dem einen Bildschirm wie ich, man vermeint mich in der Installation zu sehen, weil die Sockel und Monitore zusammen genommen meiner Körpergröße entsprechen. Also wenn ich vor den Monitoren stehe, nehme ich genau die Position ein, weil das Bild 1:1 groß ist. Also es sieht so aus als würde ich in dem Objekt selber stehen und behauche die Scheibe des Monitors bis durch das Beschlagen der Scheibe das Bild meiner Selbst verschwindet. Es wird getrübt, verschwindet immer mehr, also ich verschwinde aus dem Bild, dass sind 30 Sekunden und dann kommt der Umschwung auf den rechten Monitor wo ich dann nicht mehr atme also nicht mehr mein Lebenshauch an diese Scheibe bringe sondern mich des Atems enthalte, da wird das Glas wieder klar, und es kommt wieder die Ausgangsposition Licht zutage. So wechseln Ausatmen und Einatmen da so ein Lebensrhythmus gezeigt zwischen Verschwinden und wieder Auftauchen, im größeren Maßstab, Geburt und Tod, also am Leben teilnehmen und vom Leben verabschieden usw. Also wenn man so will, so ein Statement über Leben und Tod, und für mich eine wichtige Arbeit, perfekt gemacht durch Titel und Ausführung, ob das natürlich die Öffentlichkeit so sieht, genauso sieht, ist eine andere Frage. Denn was bei mir ja oft zur Kenntnis nehmen muß, ist dass wenn Künstler Selbstportraits machen oder Bilder von sich, immer unterstellt wird Eitelkeit, der Künstler will sich wichtig nehmen, ist ein Wichtigtuer und portraitiert sich gerne, weil er sich in dieser Schöpferrolle hinein wägt in der Schöpferrolle zu sein. Aber ich sage, ich nehme mich als Versuchsperson, es kostet mich ja nichts wenn ich es mit mir mache, dadurch wird meine Neugier gestillt, ich will es ja wissen, ich experimentiere mit mir selbst und nehme mich als Versuchsanordnung oder Versuchsperson und wenn ich zu einer Erkenntnis komme von der ich meine, dass sie interessant ist auch für andere, dann kann ich sie in solcher Form auch entäußern und dann kann sie auch eine gewisse Verbindlichkeit für andere bekommen. Also ich zwinge ja niemand dazu das genauso zu interpretieren wie ich also dieser Ausschweifen der Sinne also man kann sozusagen das Angebot annehmen und sich hineinversetzen in meine Rolle aber es ist eben nicht eine Sache die darum geht als bedeutender Künstler sich vorzuführen sondern als Mensch der mit sich selber Versuche anstellt um einige auch wenn es auch klein ist, Erkenntnis über das Leben zu gewinnen. Das ist die ganze Quintessenz von einer solchen Arbeit.

 

D.: Das ist dir sehr gelungen. Vielen Dank Timm ! Ich wünsche dir und uns allen eine schöne Vernissage !

© Timm Ulrichs 2018 Transcription DCM

TIMM ULRICHS, EARLY WORKS SINCE 1961, ...EINE TAUTOLOGIE IST EINE TAUTOLOGIE IST EINE... Hommage à Gertrude Stein, 14/09-23/122018 — review of the interview

© Matthias Reichelt

DIE TAGESZEITUNG, "Interview mit Timm Ulrichs", Nr. 151, 4./5. Juli 2020

                                  © Matthias Reichelt

DER TAGESSPIEGEL, "Bloß nicht wiederholen, Bewundert, verehrt, geliebt, ... ", Nr. 24250, 25. Juli 2020

 © Tillman Baumgärtel

TAZ, "Wie oft ich schon wiederentdeckt worden bin, Interview mit Timm Ulrichs", 25./26. Juli 2020 

Brigitte March International Contemporary Art 

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